Ersthelfergruppe der FF Grossmehring
Interview zur Installation der „Feuerwehr Ersthelfergruppe“ der Freiwilligen Feuerwehr Großmehring mit Herrn Florian Schneider (Leiter der Feuerwehr Großmehring) und Dr. med. Ulrich Selz (Feuerwehrarzt)
Herr Schneider, Sie sind Kommandant der Feuerwehr Großmehring. Ab September 2019 startet die Feuerwehr mit einem völlig neuen Aufgabengebiet, der Feuerwehr-Ersthelfergruppe im Gemeindebereich. Was versteht man darunter?
Schneider: Die Feuerwehr-Ersthelfergruppe wird bei bestimmten Einsatzstichwörtern, die den Rettungsdienst betreffen, dazu alarmiert. Da der Rettungsdienst meist aus Kösching oder Ingolstadt anfährt, können wir als Feuerwehr die ersten Minuten des Einsatzgeschehens überbrücken. Dieses sogenannte „therapiefreie Intervall“ verkürzt sich durch unser Eingreifen.
Herr Dr. Selz, Sie sind der Feuerwehrarzt der Gemeinde Großmehring.
Wie kamen Sie beide auf die Idee, diese Feuerwehr-Ersthelfergruppe in Großmehring zu installieren?
Dr. Selz: In manchen Gegenden Bayerns gibt es Gruppen dieser Art schon seit einigen Jahren. Die Idee dazu hatte man, als man erkannt hat, dass in manchen ländlichen Gegenden der Rettungsdienst bis zum Eintreffen sehr lange benötigt. Dies ist in Großmehring nicht der Fall, denn der Rettungsdienst ist vergleichsweise schnell vor Ort.
Wir in Großmehring installieren die Gruppe aus einem anderen Grund. Wir hatten in der letzten Zeit zwei schwere medizinische Notfälle im Umfeld der Feuerwehrkameraden. Diese gingen zum Glück sehr gut aus. Unsere Kameraden konnten schnell Hilfe leisten und dafür ernteten dafür viel Lob.
Man muss sich vor Augen halten: Gerade bei Wiederbelebungen verlieren wir 10% Überlebenswahrscheinlichkeit pro Minute, wenn keine Reanimationsmaßnahmen eingeleitet werden. Jede Minute zählt also.
Aufgrund des hohen Ausbildungsstands der Feuerwehrkameradinnen und -kameraden in Großmehring kam uns dann die Idee, dass wir möglichst schnell medizinische Hilfe im Gemeindebereich an die Bürger bringen möchten. Da die Bereitschaft innerhalb der Mannschaft dafür sehr hoch ist und kein weiteres Material herangeschafft werden muss, konnten wir die Idee relativ problemlos umsetzen.
Herr Schneider, was passiert im konkreten Fall einer Alarmierung?
Zunächst ist es wichtig zu betonen, dass wir nicht bei jedem medizinischen Notfall im Gemeindebereich alarmiert werden. Der Alarm geht in erster Linie bei sehr schweren Meldebildern bei uns ein. Dazu zählen Kindernotfälle, schwere Blutungen, Schwerstverletzte, lebensbedrohliche Störungen der Atmung und des Kreislaufs und natürlich Wiederbelebungen. Wir werden über Funkmeldeempfänger und Handyalarm über einen Notfall informiert. Es findet deswegen also kein Sirenenalarm statt, da wir nicht mit der ganzen Feuerwehr, sondern nur mit zwei bis drei Mann und einem Mehrzweckfahrzeug ausrücken. Vor Ort führen wir dann lebensrettende Maßnahmen durch und unterstützen bei Bedarf den Rettungsdienst bei der Durchführung weiterer Maßnahmen oder bei der Organisation des Einsatzes, falls beispielsweise eine Tragehilfe angefordert wird oder der Hubschrauber zur Landung geht.
Über welchen Ausbildungsstand verfügen die teilnehmenden Feuerwehrler?
Dr. Selz: Jeder der Teilnehmenden ist mindestens 18 Jahre alt und hat mindestens die Ausbildung zum Sanitäter. Seit Jahren haben wir in der Feuerwehr Großmehring einen sehr hohen sanitätsdienstlichen Ausbildungsstand. Neben den Sanitätern haben wir auch noch Rettungssanitäter und einen ehemaligen Luftrettungsassistenten in der Mannschaft. Von ihrem Fachwissen profitieren natürlich alle und deswegen ist die Bereitschaft, bei medizinischen Notfällen zu helfen, auch höher als in manch anderer Feuerwehr in Bayern. Als Kreisfeuerwehrarzt des Landkreises Eichstätt nehme ich auch an bayernweiten Sitzungen teil und bekomme es immer wieder mit, dass in manchen Landkreisen eine noch etwas zurückhaltende Stimmung bezüglich dieser Art der Hilfeleistung herrscht. Andererseits gibt es aber auch das genaue Gegenteil: Gerade im Münchener Raum stellen Feuerwehren nicht nur Ersthelfergruppen, sondern nehmen eine Vollzeitaufgabe als First-Responder-Gruppen war.
Was ist der Unterschied der Ersthelfergruppe zu einer First-Responder-Gruppe?
Schneider: Die Helfer vor Ort oder First-Responder-Gruppen verfügen meist über ein eigenes Fahrzeug, das vom jeweiligen Diensthabenden mit nach Hause genommen wird. Von dort fährt er die Einsätze. Dies erfordert allerdings, dass es einen festen Dienstplan für diese Art der Gruppen gibt. Unsere Feuerwehr-Ersthelfergruppe wird hingegen wie bei einem normalen Feuerwehreinsatz alarmiert, das heißt, diejenigen Kameraden, die zu Hause sind oder Zeit haben, nehmen den Einsatz an, ohne Verpflichtung oder festen Dienstplan.
Wie stellt sich die Zusammenarbeit mit dem Rettungsdienst dar? Gibt es da ein Konkurrenzdenken?
Dr. Selz: Nein, denn der Notarzt oder das Rettungsdienstpersonal ist meist dankbar, wenn schon bestimmte Vitalparameter recht früh im Einsatzverlauf erhoben oder lebensrettende Maßnahmen eingeleitet wurden. Im Endeffekt geht es um das Überleben des Patienten und nicht um Animositäten innerhalb von Rettungsorganisationen. Das war vielleicht vor 20 Jahren noch so. Unsere Kameraden nehmen dem Rettungsdienst den Einsatz nicht weg, sondern sie rücken von der Einsatzstelle wieder ab, wenn ihre Hilfe vom Rettungsdienst nicht mehr benötigt wird.